Geschichte des Stiftes
(c) Dr. Erwin Isenberg, März 2001-03
Ursprung der katholischen Pfarrei in Keppel
Die hiesige katholische Pfarrgemeinde St. Augustinus hat ihren Ursprung in Keppel. Während die Pfarrei heute in Dahlbruch ihr Zentrum hat, wo um die Jahrhundertwende die St-Augustinus-Pfarrkirche errichtet wurde, feierten im 19. Jahrhundert die Katholiken ihren Gottesdienst in der Keppeler Stiftskirche. Das geschah simultan, d.h. im Wechsel mit der evangelischen Anstaltskirchengemeinde, die seit 1871 im Zusammenhang mit der Gründung der Erziehungs- und Schulanstalt Stift Keppel die Kirche für die Schülerinnen und das Lehrpersonal beanspruchte.
Schon zuvor, in der Zeit des Abrisses der alten Hilchenbacher Vitus-Kirche 1839 bis zur Fertigstellung der neuen evangelischen Stadtkirche 1846, war die reformierte Kirchengemeinde in der seit der Säkularisation nicht mehr genutzten Stiftskirche übergangsweise untergekommen.
In dieser Zeit wurde auch den hiesigen Katholiken die "widerrufliche Nutzung zu gottesdienstlichen Zwecken im Einvernehmen mit den evangelischen Mitchristen" gestattet.
Zum wiederholten Male hatten Vertreter der zu dieser Zeit schon über zweihundert Seelen zählenden katholischen Bevölkerung Bittschriften an die Preußische Regierung eingereicht. Erstmals hatte sich 1818 der Heinsberger (später Netphener) Pfarrer Göbel für eine Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in der verwaisten Stiftskirche eingesetzt. 1833, so geben die Landratsakten der damaligen Zeit Auskunft, bemühte sich der Hüttensekretär Cremer aus Lohe darum, und ein weiteres Mal, 1839, wurde der Hilchenbacher Arzt Dr. med. Liese in dieser Angelegenheit vorstellig. Erst nach einem erneuten Vorstoß 1843 gestattete die Königliche Regierung in Arnsberg die Mitbenutzung der Stiftskirche. Am 9. Juni 1844 fand erstmals nach der Säkularisation wieder ein katholischer Gottesdienst in Keppel statt . In der Anfangszeit hatten die Missionspfarrer auch im Stift ihre Wohnung. Kaplan Mönnichs unterhielt sogar zeitweilig in Keppel eine Schule.
In der Tradition des Simultaneums
Was seit 1844 bis zum Umzug der katholischen Pfarrgemeinde in einen eigenen Kirchenbau im Jahre 1900 in einem - bisweilen nicht spannungsfreien - simultanen Nebeneinander der beiden Konfessionen in der Stiftskirche praktiziert wurde, hatte in der vorausgegangenen Geschichte des freiweltlichen Fräuleinstifts durchaus schon Tradition gehabt. Das Simultaneum, das seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Säkularisation fast 150 Jahre das Leben in Keppel bestimmte, war kennzeichnend gewesen für die besondere kirchen- und machtpolitische Einbindung des Stifts. Auf Grund traditioneller Beziehungen zum Netphener Raum gehörte Keppel zum »Johannland«, das seinerzeit dem zum katholischen Glauben konvertierten Grafen Johann (VIII.) als Stammteil zuerkannt worden war. In der nördlichsten Ausdehnung ragte sein Gebiet, und hier vor allem das Stift Keppel, über das er die Jurisdiktion besaß, wie ein vorgeschobener Keil in das Ferndorftal hinein, und damit in eine Region, die als Erbland vom reformierten Teil des Hauses Nassau-Siegen beansprucht wurde. Die adeligen Stiftsinsassen entstammten einer Ritterschaft, die im Zuge der Gegenreformation zu einem nicht unerheblichen Teil von der Rekatholisierung erfasst worden war. Dies führte schließlich dazu, dass in Keppel, obwohl nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens zunächst nur ein mit reformierten Stiftsdamen besetzter Konvent zu restituieren war, ein Simultaneum eingerichtet wurde. Die evangelischen wie auch katholischen Fräulein - die Äbtissinnen wechselten in Bezug auf die Konfessionszugehörigkeit - durften sich einen Prediger bzw. einen Hauskaplan ihrer Religion unterhalten. Über die Bedürfnisse der kleinen Stiftsgemeinde hinaus pastorierten die Geistlichen auch die Gläubigen im Umkreis des Stifts, was vor allem den Katholiken des nördlichen Siegerlands, fernab einer eigenen katholischen Kirche, zugute kam. Somit bot die Stiftskirche in nachreformatorischer Zeit über Jahrhunderte hinweg der sich zahlenmäßig allmählich erstarkenden katholischen Minderheit die Gelegenheit zur gottesdienstlichen Versammlung. 1900, fünf Jahre nach der staatlichen Anerkennung als selbständige Pfarrei, war es schließlich soweit, dass sich die katholische Gemeinde ein eigenes Gotteshaus bauen konnte.